Hallo zusammen,
ich habe folgende Problematik: Ich lebe seit einem Jahr mit meiner Lebensgefährtin und ihren beiden Kindern (Junge, 13 Jahre, Mädchen 9 Jahre) zusammen. Während das Verhältnis zwischen dem Mädchen und mir (m., 55J.) recht gut ist und sie nach anfänglichem Zögern und viel Vorsicht nun eine sehr enge Bindung zu mir aufgebaut hat, die sehr konfliktarm verläuft, ist meine Beziehung zu dem Jungen als eher schwierig zu bezeichnen. Das hängt mit großer Wahrscheinlichkeit unter anderem mit seinem Alter (13 - Pubertät) und seinem Intellekt (vermutlich im Bereich der Hochbegabung oder knapp darunter) zusammen. Ich merke aber auch, dass ich mich von seinen Verbalattacken überfordert fühle und irgendwann dazu neige, zornig zu werden. Dieser Zorn führt bei mir dann relativ bald zur Aggression, die ich zu unterdrücken versuche, was mir leider nicht immer gelingt. Dann werde ich irgendwann laut (was zu einer Lautstärkeerhöhung seinerseits führt), versuche ihm irgendwann das Wort zu verbieten (was natürlich nicht gelingt, weil er dann immer weiter sendet), ich habe mich auch schon zu einem Tritt in den Allerwertesten hinreißen lassen (was mich selbst schockiert hat) und ihn unsanft aus dem Zimmer geschubst (auch nicht viel besser). Letztlich merke ich vor allem immer wieder, wie mich seine respektlosen und beleidigenden Äußerungen zornig machen und mich hilflos zurücklassen, weil ich nicht weiß, wie ich darauf reagieren soll. Die "Coolness", in einem solchen Fall einfach gar nicht zu reagieren, besitze ich aktuell nicht, ich bemerke dieses innere Bedürfnis, reagieren zu müssen, weil ich sonst das Gefühl habe, gleich zu explodieren. Um unser familiäres Zusammenleben nicht zu gefährden, möchte ich aber nun begreifen, was ich an dieser Stelle anders machen kann, wie ich meine Gefühlslage unter Kontrolle bekomme und angemessen reagieren kann.
Hintergrund der Kinder und ihrer Mutter: Der Vater der beiden Kinder hat aufgrund eines längeren Drogenabusus und eigener traumatisierender Erfahrungen im Elternhaus eine paranoide Schizophrenie entwickelt, die in Depressionen und Gewalttätigkeiten mündeten. Vor rund fünf Jahren wurde er dann von der Polizei des Hauses verwiesen, nachdem er wiederholt die Kindesmutter angegriffen hatte. Seit rund drei Jahren ist die Scheidung der Eltern rechtsgültig, vor zweieinhalb Jahren lernten die Mutter und ich uns dann kennen und verliebten uns ineinander. Ich habe Sorge, dass ich diese Familienbeziehung durch meine impulsiven Reaktionen auf den Jungen nachhaltig störe und möchte das dringend vermeiden. Ich suche daher gerade ziemlich verzweifelt nach einem Weg, mit meinem Zorn in solchen Situationen konstruktiv umzugehen, ich möchte begreifen, warum mich sein Verhalten so angreift und wie ich hier sinnvoll reagieren kann, ohne meine eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu ignorieren. Als 55-jähriger mit zwei eigenen Kindern aus einer ersten Ehe (allerdings ohne die tägliche Pubertätserfahrung, da ich mich damals bereits von meiner Frau getrennt hatte und die Kinder nur an den Wochenenden zu sehen bekam) müsste ich da eigentlich sinnvollere Mittel zur Hand haben, um mit dem Verhalten des Jungen umgehen zu können, und es macht mich ratlos und traurig, dass mir das gerade so gar nicht gelingen will.
Und nein - es ist nicht so, dass es ständig nur zwischen uns scheppern würde, eigentlich haben wir ein recht vertrauensvolles Verhältnis zueinander, er fragt mich vieles und sucht häufig Rat und Meinung, auch wenn ich ihm die nicht immer geben kann (ich habe nun mal leider kein Interesse an Lego-StarWars-Bausätzen und kann mich für das Zeug echt nicht erwärmen) - aber wenn wir einen Konflikt haben, dann passiert es leider recht schnell, dass er auf ein ungesundes Niveau gerät, das zu Beleidigungen seinerseits ("Du dummes Ar***loch, Du bist ja so schei*e, Du verlogener Wi**ser"...etc.) und wütendem Gebrüll meinerseits führt. Das ist nicht gut. Hier brauche ich einen konstruktiven Lösungsansatz. Einen, den ich umsetzen kann, bevor bei mir die Emotionen hochkochen.
Hat jemand eine Idee?
Herzliche Grüße an Euch alle: *morgenwoanders*
Hallo Morgenwoanders,
vielen Dank für die ausführliche Rückmeldung. Da haben Sie ja schon richtig viel in Bewegung bringen können. Sie bleiben dem Jungen gegenüber öfters ruhig, versuchen Provokation an sich abperlen zu lassen und die Not des Jungen zu sehen, wenn er sich in einen Konflikt reingefahren hat, aus dem er selber nicht mehr raus kommt. Das sind tolle Perspektivwechsel, die Sie da schaffen! Natürlich klappt es nicht immer - das wäre ja schon fast unheimlich, aber Sie kriegen es hin, den Jungen immer wieder zur Kooperation zu bewegen. Die Idee, ihn mit seinen Ansprüchen an andere zu konfrontieren, wenn er selbst sich anders verhält, finde ich klasse! Und es scheint ja auch echt gut zu funktionieren.
Viele Grüße
bke-Ina
Hallo,
jetzt frage ich mal nach. Wie ist denn der letzte Monat gelaufen?
Was konnten Sie nutzen, was war eher schwierig?
bke-Claudia Rohde
Hallo Claudia und alle anderen,
vielen Dank für die Nachfrage!
Tatsächlich lief es schon kurz nachdem ich diesen Eintrag geschrieben hatte, deutlich besser. Es ist tatsächlich so: "Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus". Blöder alter Spruch, aber doch unheimlich wahr. ich habe angefangen, dem Jungen gegenüber ruhiger zu bleiben, mich im Zweifelsfall auch mal aus einer kritischen Situation hinauszubewegen, wenn ich merke, dass ich zu kochen beginne. In der Tat sehe ich es so, dass nicht er das Problem hat, sondern ich - er steckt in der Pubertät und kann vieles nicht besser, ich bin der Erwachsene, der es besser können und ihm mit dem guten Beispiel vorangehen sollte.
Ja, er lässt manchmal noch klar grenzüberschreitende Dinge vom Stapel, die mich erst einmal sauer machen - aber wenn ich dann genauer hinhöre, stelle ich dabei fest, dass er oft einfach nur nicht mehr aus seiner Haut herauskann: er hat dann einen Beef angefangen, den er selbst schlecht beenden kann, ohne (in seinen Augen) das Gesicht zu verlieren. Als hilfreich hat sich auch erwiesen, ihn ab und zu an seinen eigenen Ansprüchen zu messen. Beispiel: Neuerdings kritisiert er immer wieder an seiner kleinen Schwester herum, weil sie genau das tut, wozu er auch neigt, nämlich ihre Sachen, Geschirr, Müll etc. da liegen zu lassen, wo sie sich gerade aufhält. Darauf angesprochen entgegnet er mir gegenüber, er täte soetwas nie, ihm würde das nur auf den Keks gehen, wenn sie so unordentlich sei, er könne eine solche Unordnung nicht leiden. Ich habe ihm dann irgendwann klargemacht, dass er sich an seinem eigenen Anspruch messen lassen muss, denn wenn man andere für das kritisiert, was man selbst nicht hinbekommt, ist das unglaubwürdig. Zweimal habe ich ihn dann danach auch aus seinem Zimmer rufen müssen, weil er bspw. die Küche wieder in ein Trümmerfeld verwandelt hatte, und ihn gefragt, wie diese Unordnung eigentlich mit dem Anspruch zusammenpasse, den er anderen gegenüber erhebe - "Oh, blöd, hab ich ganz vergessen", war seine Antwort, dann räumte er hinter sich auf.
Was ich als wichtig herausgefunden habe ist, in Krisensituationen ruhig zu bleiben und nicht auf seinen Rant einzusteigen. Das führt wesentlich schneller zum Erfolg, als wenn ich mich selbst aufrege und wir uns selbst hochschaukeln.
Es ist noch nicht alles perfekt, meine Vorhaben gelingen mir nicht immer - aber sie gelingen hin und wieder, und das ist mehr als nichts.
Herzlich: *morgenwoanders*
Hallo,
jetzt frage ich mal nach. Wie ist denn der letzte Monat gelaufen?
Was konnten Sie nutzen, was war eher schwierig?
bke-Claudia Rohde
Hallo Morgenwoanders,
oje, das hört sich mega-anstrengend an. Ich kann gut verstehen, dass Sie darauf keine Lust mehr haben. Eine Frage von Ihnen ist: Was passiert hier eigentlich? Eine Antwort ist (die Sie in Ihrem Startbeitrag auch gegeben haben): Pubertät!. In der Pubertät baut sich das Gehirn enorm um. Ähnlich aufwändig, wie in den ersten Lebensmonaten (die für Eltern auch echt anstrengend sein können). Manche Gehirnregionen sind nicht zuverlässig erreichbar. Offensichtlich haben Sie das am Verhalten des Jungen bemerkt 😉. Das ist aber keine Erlaubnis, ständig über die Stränge zu schlagen und es wäre gut, wenn diese von Ihnen beschriebenen Eskalationen zumindest seltener werden würden.
Jetzt finde ich, genau so wie Sie, die Haltung Ihrer Partnerin bewundernswert: Ruhig bleiben, nicht persönlich nehmen, nicht in den Machtkampf einsteigen. Das brauchen Sie nicht zu kopieren. Wenn Ihnen aber die Haltung gefällt, wie könnten Sie das umsetzen? Ich versuche Ihnen ein Paar Ideen zu geben. Keine Wahrheiten, aber Ideen und Anregungen 🤔.
Wenn es laut und anstrengend und unfair wird, geht Erziehung nicht. Tatsächlich ist dann nicht nur in der Pubertät das Gehirn überanstrengt, sondern das ist bei allen Menschen so. Angenommen in Ihrem Job gäbe es eine lautstarke Auseinandersetzung, KollegInnen würden sich anschreien, da wäre es keine gute Idee, in diesem Moment eine Betriebsvereinbarung aufzusetzen. Sehen Sie das auch so?
Daheim ist es allerdings meist noch emotionaler, als in diesem kleinen Betriebsbeispiel. Und auch hier wäre es gut, wenn die Situation am kochen ist, keine Vereinbarungen, keine Entscheidungen, keine Erziehung herbei zu führen. Sondern: Stoppen. Das geht z.B. so, wie es Ihre Lebensgefährtin macht. Emotional und auch verbal nicht einsteigen. Und das wirklich doofe ist: Die Erwachsenen müssen aus dem Machtkampf aussteigen. Die Kinder, auch wenn sie schon so groß sind, können das nicht (ich wollte ja keine Wahrheiten geben, aber von diesem Punkt bin ich schon sehr überzeugt 😄).
Jetzt wäre es gut, sich von den ganzen Situationen, die immer wieder vorkommen, mal zwei herauszusuchen, die sich unbedingt ändern sollten und die anderen mal eine Weile auszuhalten. Es geht nie, alles auf einmal zu machen. Und wenn eine Sache besser läuft, hat das Auswirkungen auf den Rest. Mein Vorschlag:
Verabreden Sie sich mit Ihrem "Sohn" (ich glaube ja, dass "Sohn" passt. Sie haben auch beschrieben, dass es viel gibt, was Sie beide aneinander mögen). Zusammen mit Ihrer Partnerin. Und klären Sie z.B. diese Dinge:
Was machen wir, wenn wir uns in die Haare geraten?
Da gäbe es jetzt viele Idee, Sie sollten sich - offen - darüber austauschen. Besprechen Sie sich vorher mit Ihrer Lebensgefährtin, was für Sie beide passen würde. Z.B. Ein Signalwort ausmachen: Immer wenn "Kranzkuchen" gesagt wird, sind alle mal ruhig, gehen 10 Minuten woanders hin und dann wird geschaut, wie es weiter gehen kann.
Oder: Ohne Signalwort wird sich so verhalten.
Oder ....?
Wie ist das, wenn Sohn sich was kocht?
Wollen Sie bei der Regel bleiben, dass es "nur" gesundes Essen geben darf (ich weiß, ich übertreibe) und nur eine warme Mahlzeit am Tag? Können Sie vereinbaren, dass es zu bestimmten Zeiten gemeinsame Mahlzeiten gibt? z.B. jeden Mittwoch, oder so? Kann die Regel eingeführt werden: Bis die Eltern nach Hause kommen ist die Küche aufgeräumt? Der Junge wird, in einem ruhigen Gespräch, keine wirklichen Argumente haben, warum das nicht gehen sollte.
Ich werbe also dafür, die eigenen Haltungen zu überdenken, Ideen des Jungen zuzulassen, einen gemeinsamen Plan zu machen.
Sorgen Sie für eine angenehme Gesprächsatmosphäre (mit Chips?). Sollte das Gespräch drohen, in Streit auszuarten, aufhören, neues Gespräch vereinbaren. Sie als Eltern haben die Verantwortung, dass es ruhig bleibt.
Und zum Schluss hätte ich noch eine Anregung:
Füllen Sie Ihr Beziehungskonto auf. Unternehmen Sie mit Ihrem Sohn schöne Dinge, auch wenn er das gerade nicht verdient haben sollte. Ohne nervige Gespräche, hier ist der Fokus "Spaß". Nur wenn das Beziehungskonto aufgefüllt ist, kann davon abgehoben werden, wenn es gerade mal nicht so gut läuft. Wenn es andauernd im Minus ist, tut der Dispokredit richtig weh.
So viel für heute, es wäre prima, wenn Sie uns schreiben würden, wie es Ihnen damit ergangen ist.
Ganz viele mutmachende Grüße
bke-Stephan-Bäcker
Hallo morgenwoanders
...
Viele Grüße
bke-Ina Schweizer
Hallo Frau Schweizer (und alle anderen Interessierten),
ich will gerne versuchen, Ihnen Beispiele zu geben. Dabei handelt es sich um Begebenheiten, wo ich grundsätzlich erst mal sagen würde, "ja, wo ist denn da das Problem?". Der gestrige Abend war so ein Punkt. Der Junge kommt Mittags von der Schule heim und macht sich nach einer Fernsehpause sein Mittagessen; dabei brutzelt er sich gerne etwas zusammen, das ihm schmeckt, manchmal sind es simple Dinge wie Fertigpizza oder ähnliches "Convenience-Food", manchmal aber verwüstet er die Küche aber auch, indem er sich Hähnchenschnitzel, Reis, Erdnussauce und ähnliche eher aufwändige Gerichte kocht. Hier haben wir dann schon Konfliktpunkt Nr. 1, denn er ist der Meinung, es sei durchaus legitim, nach dem Kochen und Essen die Küche in diesem Zustand zu belassen und zur Entspannung weiter fernzusehen - was aber zu Ärger führt, wenn seine Mutter und / oder ich von der Arbeit kommen. Die sich daraus entfachende Diskussion ("Ich möchte bitte, dass Du die Küche wieder aufräumst, bevor Du hier weiter fernsiehst" - "Ich hab da aber gerade echt keinen Bock zu, ich hatte einen anstrengenden Tag und will entspannen!") wird bei mir dann irgendwann lautstark, da ich da kein wirkliches Kompromisspotenzial sehe, worauf er mir dann vorwirft, es habe immer nur nach meiner Nase zu gehen, ich würde mich ja gar nicht für seine Bedürfnisse interessieren, ich würde mich aufführen, wie ein Diktator usw. - Am gestrigen Tag hatte er sich Mittags also wieder sein Essen gemacht, wobei bei uns die Regel besteht, dass es einmal am Tag eine warme Mahlzeit gibt, während wir alle uns ansonsten eben mit kleinen kalten Mahlzeiten begnügen können; wer sich Mittags eine warme Mahlzeit zubereiten will, kann das gerne tun, es gibt dann aber keinen Anspruch auf eine zweite warme Mahlzeit. Außerdem legen wir Wert auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung; Abends wollte er dann erneut den Kühlschrank nach Zutaten für eine weitere Kochaktion durchforsten, worauf er von meiner Lebensgefährtin wie auch mir die klare Ansage bekam, dass das nicht stattfindet; hier ging dann der erste Teil der Diskussion los, weil er meinte, er wolle sich etwas "Gesundes" zum Abendessen zubereiten. Ich war bereits selbst mit dem (warmen und gesunden) Abendessen zugange und lud ihn ein, doch einfach bei uns mitzuessen, worauf von seiner Seite dann die Bemerkung kam, was wir kochten, würde ihm ja sowieso nicht schmecken. Mein Einwand, er habe ja noch nicht mal versucht es zu probieren, wurde mit der Aussage, "Brauch' ich nicht, ich weiß, dass es nicht schmeckt" quittiert. Naja, damit kann ich leben, das ist für mich kein Problem. Zum Problem wurden dann die Behauptungen "Wir haben ja auch nie was Gesundes im Haus, was schmeckt" und "Ihr kauft ja immer nur für Euch ein, aber nie was, was mir auch schmeckt!", die meine LGin mit einer Aufzählung all der Dinge quittierte, die er gleichermaßen wie wir mögen und die immer verfügbar sind, worauf er dann wiederum konterte, dass er ja da nie dran dürfte, weil das ja immer nur für uns Erwachsenen gedacht sei. Danach fand er dann noch eine ganze Reihe von Argumenten, die ihn letztlich als die arme geknechtete Seele der Familie dastehen ließen. Jedesmal, wenn ich dann versuchte, ihm die Falschheit seiner Behauptungen klarzumachen, konterte er mit "Lüge, Du bist doch ein Lügner!" oder "Red nicht so einen Unsinn!" oder "Dummes Zeug!" - was bei mir dann relativ bald den Geduldsfaden spannte. Zur Explosion kam es dann, als ich ihn dann schmatzend in einer Chipstüte herumwühlen hörte und fragte, ob er das jetzt konkret mit "Gesundem, leckerem Essen" meinte, woraufhin er dann aus der Haut fuhr und herumschrie, ich würde doch immer nur Sachen suchen, an denen ich herumnörgeln könnte, ich sei doch das letzte Ar***loch (und einiges ähnliches). Ich habe ihm dann gesagt, er solle jetzt bitte seine Zunge zügeln, weil's jetzt unverschämt würde, was ihn dann aber zu immer heftigeren Tiraden anfeuerte, bis es mir dann reichte und ich mit den Worten "Das muss ich mir jetzt echt nicht geben" den Raum verließ. Ich knallte dann Herausgehen die Wohnzimmertür zu und schimpfte (allerdings zu mir) einige unflätige Worte, die er dann allerdings hörte, worauf er in triumphierendes Jubeln ausbrach: "Siehste Mama?! GENAU SO!!" (...und ich dachte in dem Augenblick: "Super gemacht, jetzt bin ich genau in die aufgestellte Falle getappt, herzlichen Glückwunsch!"). Ich habe mich dann ins Schlafzimmer verzogen um wieder zur Ruhe zu kommen. Meine LGin hatte dann wohl noch einige klärende Worte mit ihm und schickte ihn dann in sein Zimmer. Ich war dann gestern Abend auch nicht mehr in der Stimmung, mit ihr darüber zu diskutieren, weil ich mich auch selbst als den Schuldigen an dieser Eskalation sah.
Tatsächlich beobachte ich bei seiner Mutter, dass sie in solchen Situationen viel ruhiger und gelassener bleibt; sie formulierte es mir gegenüber einmal so: "Ich lasse ihn dann da auszetern, da bleib ich dann ganz still, bis er dann irgendwann aufhört. Mich trifft das auch gar nicht persönlich, weil ich eigentlich weiß, dass er mich auch gar nicht persönlich meint". - Ich finde das eine bemerkens- und bewundernswerte Haltung, ich finde es toll, dass sie sich einfach gar nicht auf dieses offensichtliche Machtspiel einlässt, selbst wenn sie durchaus bemerkt, mit welcher Verve er immer wieder ihre persönlichen Grenzen überschreitet. Mir sind meine persönlichen Grenzen aber offengesagt sehr wichtig, ich fühle mich als Erwachsener von ihm degradiert, respektlos behandelt und mit meinem Bedürfnis nach gegenseitiger Achtung ignoriert. Mir ist klar, dass es ihm darauf gar nicht ankommt, auch wenn er ab und zu schonmal versucht hat, uns Erwachsene gegeneinander auszuspielen. Aber er hat halt den Knopf bei mir gefunden, mit dem er mich auf sehr effiziente Weise treffen kann, nämlich den "Ich respektiere Deine Grenzen nicht und setze mich einfach darüber hinweg"-Knopf. Und natürlich stelle ich mir die Frage, was er damit bezwecken will. Ist es, dass er seine zwischenzeitlich erworbene Position als "Mann im Haus", die ihm zugefallen ist, als sein Vater das Haus verlassen hatte, nicht abtreten will? Ist es, weil er seine Mutter nicht mit mir "teilen" will, eine Art ödipale Eifersucht? Ist es, weil ich ein Mensch bin, der auf die Einhaltung von Regeln Wert legt, während seine Mutter da wesentlich liberaler ist? Oder der Versuch, mit seinem Verhalten Machtkämpfe zu provozieren, die ihm irgendwie seine Rolle in der Familie definieren sollen?
Ich bin, wie gesagt ziemlich ratlos - ich denke, ich müsste verstehen, was da bei ihm passiert, um sinnvoll darauf reagieren zu können. Momentan versuche ich, die Reaktion zu etablieren, dass ich das Zimmer verlasse, sobald er anfängt, Grenzen zu überschreiten und beleidigend zu werden, einfach, um einer weiteren Esalation vorzubeugen. Aber das kann auch keine dauerhafte Lösung sein, eher ein kurzfristiges Mittel - oder was meinen Sie / meint Ihr?
Hallo morgenwoanders
ich begrüße Sie im Namen des Moderations-Teams herzlich im Forum der bke-Onlineberatung, Mein Nick-Name hier ist bke-Ina Schweizer.
Echt Klasse, dass Sie sich mit diesem schwierigen Thema hier ans Forum und die Eltern-Gemeinschaft wenden.
Dass die verbalen Attacken des Sohnes Ihrer Partnerin Sie provozieren, kann ich gut verstehen. Sie sehen, dass die Konflikte und v.a. die Art und Weise wie sie ausgetragen werden, dem Familienleben schaden könnten und möchten in den Konfliktsituationen anders als mit Wut und Aggression reagieren können. Sie schildern, dass es Ihnen zur Zeit nicht möglich ist, Ihre Emotionen zu kontrollieren, oder gut zu regulieren. Und Sie möchten unbedingt etwas an der Situation verändern, um mit dem Jungen anders umgehen, zu können.
Vielleicht mögen Sie ein bisschen schildern, wann es zu solchen Auseinandersetzungen kommt? Konflikte lassen sich im Zusammenleben sicher nicht gänzlich vermeiden, jedoch wäre es hilfreich nachvollziehen zu können, wann der Sohn Ihrer Partnerin in die Lage kommt, so verbal ausfällig und beleidigend zu werden. Sind es eher Kleinigkeiten, die ihn sauer machen, oder reagiert er heftig, wenn es für ihn an wichtige Themen/Bedürfnisse/Freiheiten geht? Gibt es Anzeichen, dass ein so massiver Konflikt bevorsteht? Und wenn ja, bis zu welchem Punkt ist die Situation für Sie noch kontrollierbar? Können Sie wahrnehmen, wie lange die Zündschnur bei Ihnen noch ist?
Es gelingt Ihnen nicht, auf die Provokationen nicht zu reagieren, weil Sie den Eindruck haben, ansonsten zu explodieren. Wäre es denn möglich, dass Sie zum Beispiel klarstellen "So lasse ich nicht mit mir sprechen." (oder eine ähnliche Formulierung) und die Situation darauf verlassen?
Das wären Ansätze, die darauf abzielen mit der Situation anders umzugehen. Manchmal hilft es aber auch, die eigene Haltung dem Kind und dessen Verhalten gegenüber zu ändern. "When your child is in the midst of a meltdown, remember that they are not giving you a hard time, they are having a hard time." hat Laura Markham, eine amerikanische Kinderpsychologin mal geschrieben. Das heißt so viel wie: Wenn dein Kind einen "Aussetzer"/Wutanfall hat, macht es nicht dir das Leben schwer, sondern es erlebt einen schwierigen Moment. (Wörtlich "... macht es nicht dir eine harte Zeit, es hat eine harte Zeit".) Ich finde diesen Gedanken ganz hilfreich, um die Perspektive wechseln und die Überforderung und Hilflosigkeit, die Kinder (und Jugendliche) während solchen Auseinandersetzungen und Wutanfällen oft erleben, leichter zu sehen.
Sie schreiben, dass durchaus auch ein guter Kontakt zwischen Ihnen und dem Jungen besteht, dass er immer wieder um Rat fragt und ein Vertrauensverhältnis besteht. Das sind gute Voraussetzungen. Sicher ist auch dem Sohn Ihrer Partnerin nicht wohl mit der Art und Weise, wie Auseinandersetzungen mit Ihnen ablaufen. Vielleicht ist es möglich, in einem ruhigen Moment (ev. auch in Anwesenheit Ihrer Partnerin) zu besprechen, was hilfreich sein könnte um die Konflikte anders zu gestalten.
Soviel erstmal von mir, vielleicht ist der ein oder andere Gedanke für Sie hilfreich?
Viele Grüße
bke-Ina Schweizer